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Siegfried Lenz, 1926 geboren, hat schon immer seinen Weg zwischen traditionellen und erneuernden Erzählmöglichkeiten gesucht -und gefunden: sein Roman "Deutschstunde" (1968) über die Frage nach Schuld und Sühne ist und bleibt ein wichtiger Meilenstein in der deutschen Nachkriegsliteratur.Der preisgekrönte Schriftsteller veröffentlicht seit 1951 regelmäßig und stößt in der deutschen Presse auf großen Anklang
Heute spricht Lenz ein anderes zentrales Thema der zwischenmenschlichen Beziehungen an: die Verwirrung der Gefühle. Dabei ist eine großartige Novelle über Liebe zwischen einem Gymnasiasten und seiner Englischlehrerin enststanden, hier eine Leseprobe:
     

"Wir setzen uns mit Tränen nieder", sang unser Schülerchor zu Beginn der Gedenkstunde, dann ging Herr Block, unser Direktor, zum bekränzten Podium. Er ging langsam, warf kaum einen Blick in die vollbesetzte Aula; vor Stellas Photo, das auf einem hölzernen Gestell vor dem Podium stand, verhielt er, straffte sich, oder schien sich zu straffen, und verbeugte sich tief.
Wie lange er in dieser Stellung verharrte, vor deinem Photo, Stella, über das ein geripptes schwarzes Band schräg hinlief, ein Trauerband, ein Gedenkband; während er sich verbeugte, suchte ich dein Gesicht, auf dem das gleiche nachsichtige Lächeln lag, das wir, die ältesten Schüler, aus deiner Englischstunde kannten. Dein kurzes schwarzes Haar, das ich gestreichelt, deine hellen Augen, die ich geküßt habe auf dem Strand der Vogelinsel: ich mußte daran denken, und ich dachte daran, wie du mich ermuntert hast, dein Alter zu erraten. Herr Block sprach zu deinem Photo hinab, er nannte dich liebe, verehrte Stella Petersen, er erwähnte, daß du fünf Jahre zum Lehrerkollegium des Lessing-Gymnasiums gehörtest, von den Kollegen geschätzt, bei den Schülern beliebt. Herr Block vergaß auch nicht, deine verdienstvolle Tätigkeit in der Schulbuchkommission zu erwähnen, und schließlich fiel ihm ein, daß du ein allzeit fröhlicher Mensch gewesen warst: "Wer ihre Schulausflüge mitmachte, schwärmte noch lange von ihren Einfällen, von der Stimmung, die alle Schüler beherrschte, dies Gemeinschaftsgefühl, Lessingianer zu sein; das hat sie gestiftet, dieses Gemeinschaftsgefühl."
Ein Zischlaut, ein Warnlaut von der Fensterfront, von dort her, wo unsere Kleinen standen, die Quartaner, die nicht aufhörten, sich darüber auszutauschen, was sie interessierte. Sie bedrängten, sie schubsten sich, sie hatten einander etwas zu zeigen; der Klassenlehrer war bemüht, Ruhe zu stiften. Wie gut du aussahst auf dem Photo, den grünen Pullover kannte ich, kannte auch das seidene Halstuch mit den Ankern, das trugst du auch damals, am Strand der Vogelinsel, an die es uns antrieb im Gewitter."     

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