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Auf den Bestsellerlisten der deutschen Taschenbücher finden wir immer noch "Die Mittagsfrau" (S. Fischer Verlag), Julia Francks Roman, der vor zwei Jahren den Deutschen Buchpreis erhielt. Die nun bald vierzigjährige  Berliner Autorin hatte 1998 mit ihrer surrealistischen Erzählung "Der neue Koch" die deutsche Literaturszene mit dem frischen Wind der Originalität überrascht. Danach kamen "Liebediener" (1998), "Bauchlandung.Geschichten zum Anfassen." (2000) und "Lagerfeuer" (2003). Mit "Die Mittagsfrau" ist ihr ein solider deutscher Roman gelungen, mit echten Figuren voll Kraft und Charakterstärken (und -schwächen) - Familienromane können manchmal den Leser unter der Last eines "psychologischen Zuviels" erdrücken oder ihn durch eine Überfülle an Informationen (paradoxalerweise) langweilen - hier werden Zeitepos und eine fesselnde Lebens- und Liebesgeschichte auf faszinierende Weise vereint. Hier ein Auszug:
"Die kommenden Wochen erschienen Helene als eine schwere Zeit. Sie war es nicht gewohnt, den ganzen Tag allein zu sein. Der Schriftsetzer hatte sich seit dem Tag der Kündigung nicht mehr blicken lassen. Es hieß, er habe mit seiner Familie die Stadt verlassen. Helene saß Tag für Tag in der Druckerei und wartete auf Kundschaft, die nicht kam. Auch Marthas Buch sollte sie für die Aufnahmeprüfung zur Schwesternschülerin lernen, aber sie blätterte es durch und entdeckte kaum etwas, das sie noch nicht wusste. Die genaue Reihenfolge der Kompressen und Wickel bei den verschiedenen Krankheiten gehörten schon eher zur Abschlussprüfung. Wie das meiste in dem Buch sich dem Wissen zuwendete, das während der Lehrzeit erworben werden sollte. Die wenigen unbekannten Einzelheiten waren mit dem Umblättern in ihrem Gedächtnis verankert. Also begann Helen andere Bücher zu lesen, die sie im Bücherregal des Vaters entdeckte. Das Herausnehmen eines Buches aus dem mächtigen Regal war den Töchtern verboten. Aber schon früher, als der Vater noch da war, galt es beiden Töchtern als Abenteuer und Mutprobe mit besonderem Kitzel, die kostbaren Bücher zu entwenden. Damit keine Lücke an der Stelle klaffte, wo eben noch Kleists Marquise von O. gestanden hatte, schob sie Stifters Condor weiter nach links. es herrschte keine Ordnung im Bücherregal des Vaters, das quälte Helen ein wenig, aber sie war unsicher, ob diese Unordnung von der Mutter überwacht wurde und was geschehen konnte, würde sie eigenmächtig hier ein Alphabet walten lassen. Beim Lesen waren Helenes Ohren gespitzt, und sobald sie ein Geräusch hörte, ließ sie das Buch unter ihrer Schürze verschwinden. Häufig sah Helene zur Tür hinaus, wenn sie glaubte, Leontines tiefe Stimme zu erkennen. Einmal ging ganz unerwartet die Tür, herein kamen Martha und Leontine mit einem großen Korb, sie lachten."
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