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bernhardpreise.jpgMan hält es in der Hand und schwankt zwischen Rührung und kribbelnder Neugier: das posthum erschienene Opus von Thomas Bernhard kommt gerade richtig zu seinem zwanzigsten Todestag, und das mit dem vielversprechenden Titel "Meine Preise". Und tatsächlich lässt der Autor hier seine zahlreichen literarischen Auszeichnungen Revue passieren: bissig, lakonisch, umwerfend komisch sieht sich unser "Weltverbesserer" als Preisempfänger, mit allem, was dies an Vor- und Nachteilen mit sich bringen kann. In diesem letzten Werk hat Österreichs (Deutschlands, Europas?) größter Schriftsteller nichts von seiner Vehemenz verloren, die Musikalität seines unnachahmlichen Stils ist dieselbe geblieben, seine "Erregungen" nervenaufreibend, seine Irritationen unverfälscht.
Es geht um Anzüge, die man sich für eine Preisverleihung kauft und die zu eng sind (wie die Räume, in denen man dem Ersticken nah ist), um den "Lebensmenschen" Bernhards, die ewige Tante, deren Lieblingsbemerkung "Nunja!" ist, um Märchen und Wahrheit und um "lauter katholische und nationalsozialistische Arschlöcher" (dixit der Autor) und um vieles andere.
Unverbesserliche Bernhard-Anhänger wie ich haben bei der Erscheinung des Buches Freudensprünge gemacht, die Reaktionen der anderen interessieren uns nicht.....Hier ein Vorgeschmack:
"So stellten wir uns ganz einfach unter die Eingangstür des Festsaals und warteten ab. Aber die Leute drängten an uns vorbei und stießen uns fortwährend an und wir mussten einsehen, dass wir uns die ungünstigste Wartestelle ausgesucht hatten. Ja, empfängt uns denn niemand? dachten wir. Wir blickten uns an. Der Saal hatt sich schon beinahe zur Gänze gefüllt und zwar zu dem alleinigen Zwecke, mir den Grillparzerpreis der Akademie der Wissenschaften zu verleihen, dachte ich. Und kein Mensch empfängt mich und meine Tante. Mit ihren einundachtzig Jahren sah sie wunderbar aus, elegant, intelligent und sie war mir in diesen Augenblicken so tapfer vorgekommen wie nie. Nun hatten auch schon einige philharmonische Musiker auf dem Podium vorn Platz genommen und alles deutete auf den Beginn der Feierlichkeit hin . Aber von uns, die wir doch der Mittelpunkt sein sollten, wie wir dachten, hatte kein Mensch Notiz genommen. So hatte ich plötzlich eine Idee: wir gehen ganz einfach hinein, sagte ich zu meiner Tante und setzen uns in die Mitte des Saales dorthin, wo noch ein paar freie Plätze sind und warten ab. Wir gingen in den Saal und suchten diese freien Plätze in der Mitte des Saales auf, viele Leute mussten aufstehen und beklagten sich bei uns, wie wir uns an ihnen vorbeizwängten. Da saßen wir nun in der zehnten oder elften Reihe des Festsaales der Akademie der Wissenschaften und warteten ab. Nun hatten schon alle sogenannten Ehrengäste Platz genommen. Aber das Fest begann natürlich nicht. Und nur ich allein und meine Tante wussten, warum. Auf dem Podium vorne liefen in immer kürzeren Abständen aufgeregte Herren hin und her, so, als suchten sie etwas, nämlich mich." 
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