20 juillet 2009
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denn wie sollten wir sonst das ganze Jahr über die viele Arbeit bewältigen! Bleibt mir also nur noch, allen Besuchern meiner Seiten angenehme Sommertage zu wünschen und zu hoffen, dass im September alle die nötige Energie aufgetankt haben, um ein neues (Schul)jahr anzugehen!

Natürlich kann ich das alte nicht verlassen, ohne ein paar Ratschläge für die Sommerlektüre zu geben - bei dem außergewöhnlich gutaussehenden jungen Mann auf dem Foto handelt es sich um Mathieu Carrière, der in dem 1965 von Volker Schlöndorff gedrehten gleichnamigen Film den jungen Törleß verkörperte. Nachdem ich vor einigen Wochen auf ARTE die gelungene Verfilmung des Erstlingswerks des 25jährigen Robert Musil wieder einmal gesehen habe, konnte ich einer erneuten Lektüre der Erzählung nicht widerstehen - ein immer wieder großartiges Buch, das Musil ohne Zweifel in den Rang der großen Autoren des zwanzigsten Jahrhunderts erhebt; auf Französisch sind es "Les désarrois de l'élève Toerless" ("Die Verwirrungen des Zöglings Törleß") in der Übersetzung von Philipp Jacottet.
"Die oft gelobte Kühnheit Musilscher Psychologie zeichnet schon dieses erste Werk aus. Es ist die ungewöhnliche, subtile Pubertätsstudie, in der Musil seine Erfahrungen als Kadett einer k.u.k. österreichischen Militärerziehungsanstalt auswertete. Eine scharfsichtig genaue, glasklare Interpretation jugendlichen Wachstums, die zugleich das Bild kommender Diktatur und der Vergewaltigung des einzelnen durch das System visionär vorzeichnet." (Klappentext der rororo-Ausgabe)
Wenn Sie einen ergreifenden Lebensbericht und gleichzeitig einen Streifzug durch die deutsche (Literatur)geschichte lesen wollen, dann liegen Sie bei Marcel Reich-Ranicki, dem wohl bekanntesten deutschen Literaturkritiker genau richtig: "Mein Leben" (1999), "Ma vie" (2001 chez Grasset, dans la traduction de B. Lortholary ) beschreibt auf spannende Weise die bewegte Existenz des heute 89jährigen, dessen wohlwollende Kritiken (oder Verrisse!) die deutschen Autoren der Nachkriegszeit, aber auch ausländische Schriftsteller, die er in seinem "Literarischen Quartett" jahrelang im Zweiten Deutschen Fernsehen vorstellte, entweder auf die Bestsellerlisten brachte oder in die Schubladen der Buchhandlungen verdammte!
"La fille sans qualités", in der französischen Übersetzung eine Anspielung auf Musils "Mann ohne Eigenschaften", heißt der 2004 in Deutschland erschienene Roman "Spieltrieb" von Juli Zeh, einer politisch engagierten Juristin (und das Juristen schreiben können, wissen wir seit Bernhard Schlink!). Natürlich hätte "Pulsion de jeu" wirklich nicht gut geklungen, aber ich weiß nicht, ob diese Geschichte von der Gymnasiastin Ada, die gemeinsam mit ihrem Mitschüler Alev auf perverse Weise ihren Lehrer Smutek zum Opfer eines teuflischen Spiels machen, selbst auf ironische Weise an Musils epochales Werk denken lässt. Sei's drum, jedenfalls ist das Buch eine ironisch glanzvolle Studie unserer Gesellschaft, die ich allen Schülern und Lehrern empfehle: "Wenn das alles ein Spiel ist, sind wir verloren" - die Essenz des Romans liegt bereits im Titel des ersten Kapitels verborgen.
Und für die Freunde literarischer Raritäten hier ein Geheimtipp: "Tauben im Gras" (1951) von Wolfgang Koeppen, "Pigeons sur l'herbe" (sehr schwierig zu erwerben in der französischen Übersetzung...) beschreibt mit einer absolut brillanten Erzähl(montage)technik den 20.Februar 1951 in einer deutschen Großstadt (München?), im Schatten der amerikanischen Besatzung und der Währungsreform. Der Roman erfordert vom Leser eine gewisse Anstrengung (wie alle Meisterwerke), da man sehr konzentriert die verschiedenen Figuren verfolgen muss, die in der Stadt (wie Tauben) umherirren und ihr (Un)glück suchen: Koeppen kommt hier Autoren wie Faulkner oder Joyce nahe und wurde nicht umsonst von Reich-Ranicki in den Kanon der deutschen Literatur aufgenommen: "Für das allerwichtigste Buch von Koeppen halte ich den herrlichen Roman Tauben im Gras, veröffentlicht 1951 und nach wie vor viel zuwenig bekannt. Wer diesen Roman nicht gelesen hat, der solle nicht glauben, er kenne die deutsche Literatur nach 1945."
Schöne Ferien und viel Spaß beim Schmökern!